Es ist sein dritter Anlauf – doch nun kann der Hildesheimer Astronom endlich in den NASA-Forschungsflieger an Bord gehen zum Flug in die Stratosphäre
Ein strahlender Astronom: Arndt Latußeck hebt nächste Woche mit einem NASA-Flieger ab. Foto: Julia Moras
Von Norbert Mierzowsky
Der Countdown für den Hildesheimer Astronom Arndt Latußeck läuft: Am Samstag will er in den Flieger steigen, um in die USA zu fliegen. Es ist seine dritte und höchstwahrscheinlich auch letzte Chance, sich einen Herzenswunsch zu erfüllen – mit dem Forschungsflugzeug einer umgebauten Boeing 747 SP auf mehr als 10 000 Metern Höhe jeweils zwei Nächte unterwegs zu sein, um aus der Luft mit dem Stratosphären-Observatorium Sofia in die Tiefen des Weltraums zu schauen.
Es wird eine spannende und gleichzeitig anstrengende Unternehmung, das weiß der 52-jährige Lehrer am Josephinum jetzt schon. Neun Stunden Jetlag erwarten ihn bei seiner Ankunft im kalifornischen Palmdale, aber es wird gleich weitergehen mit Sicherheitstraining und Informationsveranstaltungen. Dann darf er endlich in seine vor Ort maßgeschneiderte NASA-Flugjacke schlüpfen und an Bord des Forschungsfliegers steigen.
Einmal auf einer „Meatball“-Mission – das NASA-Emblem wird gerne als Meatball, als Fleischbällchen tituliert – mitzukönnen, war schon immer ein Traum von ihm, erzählt er auf der Terrasse seines Gartens. Obwohl er an der frischen Luft ist, trägt er eine Schutzmaske, er will jetzt kein Risiko mehr eingehen, den Flug zu verpassen. Im Dezember fiel ein Triebwerk der Maschine aus, ein Jahr später machte ihm Corona einen Strich durch die Rechnung. Nun muss es einfach klappen. Denn die Sofia-Flüge werden im Herbst dieses Jahres von der NASA eingestellt.
Leben im Weltall
„Für rund 90 Millionen Dollar jährlich gebe es zu wenig wissenschaftlichen Output“, nennt Latußeck die offizielle Begründung. Doch als seit Jahrzehnten faszinierter Astronom sieht er das ganz anders. Mit dem speziellen Infrarotmessverfahren des fliegenden Observatoriums sei es möglich, in den Tiefen des Alls in scheinbar undurchdringbare „Sternenentstehungskokons“ zu blicken, um herauszufinden, ob sich dort auch neue Planeten bilden können, die Wasserstoff auf ihrer Oberfläche binden können. Eine wichtige Voraussetzung für organisches Leben.
Doch das sei nur eine der vielen Möglichkeiten, für die das aus Deutschland beigesteuerte Spezialteleskop geeignet ist, sagt Latußeck. Man kann auch per Spektrografie Kleinplaneten im eigenen Sonnensystem auf die chemische Zusammensetzung analysieren.
Fangemeinde am Josephinum
Dass in Hildesheim eine eigene Fangemeinde auf Latußecks erste Berichte gespannt ist, davon kann er ganz sicher ausgehen. Denn er hatte nach seinem Einstieg als Lehrer im Josephinum Astronomie als Prüfungsfach etabliert. Und wenn er am 25. Mai in der Morgendämmerung in Palmdale wieder aus dem Flieger steigt und in Richtung Hotel fährt, warten mit einer Zeitdifferenz von neun Stunden bereits seine Schüler vor dem Monitor in Hildesheim zu einer schulinternen Zoom-Konferenz, bei der er sich von ihnen löchern lassen wird, bevor er dann todmüde ins Bett fallen wird.
Den Schlaf wird er brauchen, denn pünktlich zur Abenddämmerung muss er wieder am Flughafen zum zweiten Start bereit sein. „Ich kann mich im Flieger frei bewegen und auch alle Beobachtungen teilen“, erzählt Latußeck. Nur wenige Forscher und ausdrücklich auch Lehrer dürfen bei zwei der jährlich rund 200 Starts dabei sein. Sie dienen als Multiplikatoren, um ihren Schulen die Begeisterung für Astronomie zu wecken – wofür sich Latußeck in Hildesheim bereits als Garant erwiesen haben dürfte.
Mehr als 10 Kilometer Flughöhe
Sofia ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA, also der National Aeronautics and Space Administration, und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), wobei die amerikanische Seite 80 Prozent der Kosten trägt. Die technisch umgebaute und nachgerüstete Boeing 747 stößt bei den Flügen immer wieder an ihre Leistungsgrenze, denn damit die Infrarotstrahlung überhaupt richtig funktionieren kann, muss sie aus den Wasserstoff führenden Erdschichten bis in die Stratosphäre aufsteigen – also mindestens 10 000 Meter hoch.
Mit der Dauer des Fluges leeren sich die Tanks, der Flieger wird deutlich leichter und erreicht am Ende 14 000 Meter Höhe. Während des Fluges muss der Pilot eine genau abgestimmte Zickzackroute einhalten, weil das Teleskop seitwärts ausgefahren wird – aber selber nicht seitwärts schenken kann. Latußeck wird jedenfalls jede Minute in der Luft genießen – doch höher hinaus wollte er nie. „Astronomie hat mich seit Kindesbeinen fasziniert, aber Astronaut wollte ich nie werden“, sagt er lachend. Lieber auf festem Boden stehen und ein Auge aufs Okular gepresst, um in die Sternenwelt zu schauen – das ist seine Welt.