15. Februar 2021

Der Josephiner Nikolai Matti Klingsöhr (links) und Kay Witte vor dem Eingang der Stadtbibliothek. Foto: Clemens Heidrich/HAZ
Hildesheim - Irgendwann musste Nikolai Matti Klingsöhr feststellen, dass die Zeit für seine Facharbeit viel zu knapp bemessen ist. Der Oberstufenschüler des Josephinums brütet derzeit wie Zehntausende andere Zwölftklässler im Land auch über seiner Facharbeit. Sie ist für die angehenden Akademiker so etwas wie der erste echte Ausflug in die Welt des wissenschaftlichen Lernens. Man könnte auch sagen: Uni light.
Die Schüler müssen ein Thema finden, es möglichst erschöpfend bearbeiten und alles auf breite Quellen- und Fachliteratur-Füße stellen. Sechs Wochen stellt das Land den Heranwachsenden hierfür zur Verfügung. Dachten jedenfalls bisher die meisten Menschen. Aber genau so stimmt das nicht.
Auch der 17-jährige Josephiner Klingsöhr ging davon aus, als er vor wenigen Wochen in sein Thema „Die Bombenangriffe auf Hildesheim im Jahr 1945“ eintauchte. Viele Schüler machen es sich jetzt vielleicht einfach und kopieren Texte aus dem Internet, die sie dann geschickt zu „eigenen“ Werken umarbeiten. Am Josephinum werde aber großen Wert darauf gelegt, dass man tatsächlich in Bibliotheken und Archiven recherchiert, sagt Klingsöhr. Und dies werde auch kontrolliert.
Doch an dieser Stelle wird es kniffelig. Denn in allen öffentlichen Einrichtungen gibt es derzeit wegen der Corona-Pandemie scharfe Auflagen. Die aber machten es Schülern wie ihm nahezu unmöglich, die Arbeiten in den vorgegebenen sechs Wochen fertigzustellen. „Viele fühlen sich überfordert“, sagt der 17-Jährige. Sogar an den Universitäten sei die Bearbeitungszeit für Hausarbeiten verlängert worden. „Aber wir Schülerinnen und Schüler blieben außen vor, obwohl von uns ein vergleichbares wissenschaftliches Arbeiten gefordert wird“, sagt Klingsöhr. Nicht zuletzt fließe das Ergebnis auch in die Abiturnote ein.
Der 17-Jährige ist nicht nur Schüler des Josephinums, sondern auch Vorsitzender der Schüler Union Hildesheim. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Kay Witte sowie den Mitgliedern Marcel Nave, Niklas Depenau und Hanno Conrad fing er an, dafür zu streiten, dass die Abgabefrist um zwei Wochen verlängert wird. Zunächst virtuell auf mehreren Kanälen. Dann wandten sie sich an die hiesige CDU-Landtagsabgeordnete Laura Hopmann und anschließend die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Mareike Wulf. Klingsöhr wählte sogar irgendwann die Handynummer von Kultusminister Grant Hendrik Tonne. „Es ist aber niemand drangegangen“, sagt er lachend.
Trotzdem: Am Ende wurde ihr Engagement belohnt. Ein Referent aus dem Kultusministerium meldete sich telefonisch, um durchzugeben, dass es sich bei den sechs Wochen Bearbeitungszeit lediglich um eine Empfehlung handele. Sicher sei es möglich, die Bearbeitungszeit um zwei Wochen zu verlängern. Eine entsprechende Hinweis-Mail ist inzwischen offenbar an alle Schulen geschickt worden. Ob das Engagement der Hildesheimer Schüler dahinter steckt, ließ das Kultusministerium allerdings auf HAZ-Nachfrage offen.
Bei manchen Schulen hat das Engagement bereits dazu geführt, dass die Marschrichtung geändert wurde. Am Josephinum zum Beispiel haben die Zwölftklässler jetzt zwei Wochen mehr Zeit bekommen, sagt Klingsöhr. Das Goethegymnasium überlege noch, das Gymnasium Sarstedt habe aber abgelehnt.